Reisetagebuch

Donnerstag, 6. Juni

Die Lehrerin, Frau Süßmund, stellt Maja ein Ultimatum; die für die Schulanmeldung notwendigen Unterlagen, müssen spätestens bis zum nächsten Tag unterschrieben sein.

Maja ist sehr bestürzt, ihre Eltern wissen ja nichts von den Schulbesuchen. Sie behält in dieser schwierigen Situation einen klaren Kopf, sie verspricht Frau Süßmund, dass sie die Anmeldeformulare am nächsten Tag ausgefüllt und mit der Unterschrift ihrer Eltern versehen, zurückbringt. Maja geht klopfenden Herzens zu ihrer Mutter. Sie gesteht dieser ihre heimlichen Schulbesuche und schüttet ihr ihr Herz aus. Die Mutter ist im ersten Moment völlig überrascht und konsterniert, zeigt dann aber Verständnis. Allerdings fürchtet sie, dass sie durch die Unterschrift Ärger mit den Behörden bekommt. In den 80er Jahren ist der Schulbesuch der Kinder von Asylbewerbern alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Maja behauptet schlagfertig, dass die Lehrerin gesagt hätte, dass es keinerlei Probleme gäbe, wenn sie unterschreibe. Die Mutter zögert, doch schließlich unterschreibt sie. Die Schule, eine Berliner Hauptschule, gefällt Maja sehr gut. Sie liebt alles, was mit Lernen zu tun hat. Nach der Schule bringt sie die Unterrichtslektionen und die Hausaufgaben in das Jugendzentrum zu Claudia, die Maja bei der Bewältigung der Aufgaben tatkräftig unterstützt.

Auch Frau Süßmund findet Gefallen an dem aufgeweckten und fleißgen Mädchen und fördert die Schülerin. Nach drei Monaten spricht Maja perfekt Deutsch und ist völlig integriert. Mit 14 verdient sie als Kellnerin ihr eigenes Geld. Kurze Zeit später beendet sie die Schule erfolgreich und beginnt eine Ausbildung zur Hotelfachfrau. Mit 16 lernt sie ihre große Liebe kennen, sie heiraten und haben mittlerweile 3 Kinder. Ihr ältester Sohn ist heute 15 Jahre alt. Er möchte Pilot werden und absolviert gerade bei der Lufthansa ein Praktikum. Sie möchte ihre Kinder ermuntern ihren eigenen Weg zu finden, ihnen dabei aber keine Vorschriften machen.

Maja ist ein positives Beispiel einer mutigen jungen Asylbewerberin, der es gelungen ist, ihrem Leben trotz widriger Umstände eine positive Wendung zu geben. Während des Interviews mit Maja kann ich von den leckeren Mandeln und Nüssen kosten, die in dem familieneigenem Café geröstet werden, muss mich aber sputen, um rechtzeitg zum nächsten Interviewtermin am Oranienplatz zu gelangen.

Dort leben Flüchtlinge momentan in Zelten, sie gehören zu einem Protestcamp, dem Refugee Strike, gegen Abschiebung von Asylbewerbern. Im Vorfeld gestaltete sich die Suche nach einem Interviewpartner sehr schwierig, die meisten Flüchtlinge kommen aus Mali und sprechen nur französisch. Ich bitte eine gute Berliner Freundin, die fließend französisch spricht, mich bei dem Interview zu begleiten.

Doch leider verspätet sich meine Freundin so dass ich mir schnell etwas neues einfallen lassen muss, schließlich soll es in einer Stunde nach Hamburg weitergehen. Ich werde auf einen sympathischen Afrikaner aufmerksam, der sich als Vito aus Nigeria vorstellt.

Ich bitte ihn sogleich um ein Interview. Er erklärt sich freudig bereit und schnell finden wir ein leerstehendes Zelt für eine ungestörte Befragung. Die Geschichte die ich nun höre, ist unglaublich- und ich wünsche mir mehrmals in hochemotionalen Momenten, dass ich für dieses Interview psychologisch geschult worden wäre. Im Laufe des Gesprächs begreife ich, dass man das Schicksal von Kriegsflüchtlingen eigentlich nicht nachvollziehen kann, wenn man den Krieg nicht am eigenem Leib erfahren hat. Wie die Geschichte weitergeht erfahren Sie morgen.

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